Die Demonstration gegen die Maßnahmen zur Eindämmung des Corona-Virus’ am letzten Samstag in Berlin beschäftigt viele von uns sicherlich intensiv. Die politische Debatte über das Geschehene ist in vollem Gange. Wir diskutieren ausführlich über die Maßnahmen, wägen ab, hinterfragen und steuern bei voranschreitender wissenschaftlicher Erkenntnis nach. Heute erscheinen Maßnahmen angesichts neuer Erkenntnisse womöglich in anderem Licht und auch grundsätzlich kann man ausgehend von unterschiedlichen Wertevorstellungen zu verschiedenen politischen Bewertungen kommen. Die Meinungsfreiheit lässt Raum für all dies: Argumente, Diskussion und Kompromiss aber auch für Widerspruch, Streit und Dissens – das ist gut so! Unsere freiheitliche Demokratie schützt diese Meinungsfreiheit und auch die Freiheit, diese im Rahmen von Demonstrationen und Protestaktionen zu vertreten.
Die Demonstration in Berlin war – wie schon vier Wochen zuvor – eine Versammlung vieler Bürger*innen mit unterschiedlichen Motiven, politischen Einstellungen und Forderungen, zum Teil friedlich, zum Teil esoterisch und realitätsfern, zum Teil radikal und gewalttätig. Es war aber auch eine Veranstaltung mit (auch im Vorfeld angekündigten) offenen Aufrufen zum Umsturz, der Verächtlichmachung demokratischer Prozesse und der offenen Sympathie für rechtsradikales und verschwörerisches Gedankengut. Trotz der schon aus der Vergangenheit bekannten Mobilisierung und Präsenz rechtsradikaler Organisationen und Parteien auf diesen sog. „Hygienedemos“ gab es keine Gegenmaßnahmen oder konsequente Distanzierungen durch die Veranstalter*innen. Die Toleranz gegenüber präsenten Reichsflaggen, rechter Hetze und Propaganda-Gebrüll ist fatal und drückt aus, wie sehr die Brandmauern gegenüber Antidemokrat*innen und Rechtsradikalen schon zerbröckelt sind.
Als Reaktion auf den Redeauftritt eines Ratsfraktionsmitglieds auf ebenjener Demonstration hat die Flensburger Ratsfraktion diese Person aus ihrer Fraktion ausgeschlossen. Wir sprechen unseren Dank und unsere Unterstützung aus für diese schnelle, harte und eindeutige Entscheidung und vertreten als Landesvorstand die Haltung: Wer auf diesen Demos redet oder mitläuft, ist falsch bei uns GRÜNEN und erst recht kein geeigneter*r Repräsentant*in der Partei.
Uns allen verlangt die Corona-Krise viel ab und manchen noch mehr als anderen. Es ist absolut richtig und verständlich, dass die Bürger*innen Antworten auf ihre Fragen fordern. Es ist wichtig, den Dialog zwischen Bevölkerung und Abgeordneten zu dem Thema zu stärken, denn seit einiger Zeit kann man beobachten, dass sich immer mehr falsche Behauptungen nicht nur über das Internet sehr weit verbreiten.
Mit dieser Mitgliedermail möchten wir Dich außerdem kurzfristig zur Online-Veranstaltung „Corona-Mythen und Verschwörungserzählungen“ einladen, die unsere Bundestagsabgeordnete Ingrid Nestle und unser Landtagsabgeordneter Lasse Petersdotter am Freitag ab 18:30 Uhr anbieten. Es wird darum gehen, welche Gruppierungen in Schleswig-Holstein Corona-Mythen verbreiten, welche Ähnlichkeiten es zur Leugnung der Klimakrise gibt. Über folgenden Zoom-Link könnt ihr daran teilnehmen und Fragen stellen: https://zoom.us/j/97742529058?pwd=RUdWMW1WUGMvUVV1NUY1WE1VLzVxQT09
Um es nochmals ganz deutlich zu sagen: Wir halten es nach wie vor für richtig, Maßnahmen gegen die Corona-Pandemie zu ergreifen denn es ging und geht darum, viele Menschen vor einer schwerwiegenden Krankheit zu schützen. Darüber hinaus geht es auch darum, das gesellschaftliche Leben zu organisieren, sodass unser Zusammenleben, unsere Schulen und Kitas, unsere Wirtschaft und kulturellen Einrichtungen und vieles mehr vor einer erneuten Verschärfung der Einschränkungen bewahrt werden.
Herzliche Grüße Landesvorstand Bündnis90/Die Grünen SH
Weitere Informationen : https://www.climatechangecommunication.org/wp-content/uploads/2020/04/ConspiracyTheoryHandbook_German.pdfhttps://www.bpb.de/politik/extremismus/rechtsextremismus/210330/zwischen-verschwoerungsmythen-esoterik-und-holocaustleugnung-die-reichsideologie